Farbfilm – Agfacolor Neu

1936

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Jahrzehntelang zählte die Actien-Gesellschaft für Anilin-Fabrication (kurz Agfa) – neben Kodak und Fujifilm – zu den führenden europäischen Herstellern fotografischer Filme und Laborausrüstungen. Die 1873 gegründete Agfa ging aus dem Zusammenschluss der Gesellschaft für Anilinfabrikation GmbH (1867) und der Chemischen Fabrik in Berlin (1850) hervor. 1909 erbaute man eine Filmfabrik in der deutschen Provinzstadt Wolfen und nahm Experimente zur Farbfotografie auf. 1916 brachte das Unternehmen die erste Glasplatte für Farbdiapositive (Agfa-Farbenplatte) nach dem Kornrasterverfahren, ähnlich dem Autochrom, in den Handel. Die Platten funktionierten nach dem 1861 vom schottischen Physiker James Clerk Maxwell (1831–1879) entdeckten Prinzip der additiven Farbmischung. Dem gleichen Prinzip folgend kam 1932 Agfacolor-Farbfilm auf den Markt.
1936 stellte die Agfa – wohlgemerkt ein Jahr nach dem Kodachrome vom Konkurrenten Kodak – ihren ersten, modernen Farbfilm für Farbfotopapiere und Kinofilme unter dem Markenzeichen Agfacolor Neu der Öffentlichkeit vor, den die Chemiker Wilhelm Schneider (1900–1980) und Gustav Wilmanns (1881–1965) entwickelt hatten.

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André Zucca, Notre-Dame de Paris, 1944, Bibliothèque historique de la ville de Paris

Agfacolor Neu arbeitete mit in den Filmschichten eingelagerten wasserlöslichen, fettgebundenen Substanzen (Farbkuppler), die durch eine chemische Reaktion die subtraktiven Grundfarben Gelb-Magenta-Cyan erzeugen. 1939 ging ferner ein Negativ/Positiv-Film in Produktion. Die Farbe des zu projizierenden Originalbildes wurde dafür zu einem komplementärfarbigen Bild umgekehrt. Durch das Umkopieren auf Fotopapier oder Film erhielt man die Farbe des Originalbildes zurück. Die so ermöglichte Vervielfältigung leitete die Massenreproduktion von Farbfotografien bzw. Farbfilmstreifen ein. Mit dem Agfacolor-Kinofilm wurden zunächst nur kurze Werbe-, Kultur- und Probefilme gedreht. Der erste Spielfilm mit dem Titel Frauen sind doch bessere Diplomaten (Georg Jacoby) hatte 1941 in Deutschland Premiere und war ein NS-Propagandafilm, der von Joseph Goebbels (1897–1945) in Auftrag gegeben wurde.

Literatur

Heinz Berger, Agfacolor (Wuppertal: W. Girardet, 1950).

Josephine Diecke, «Agfacolor im (inter-)nationalen Spannungsfeld», in Ausst.-Kat. Color Mania. Materialität Farbe in Fotografie und Film, Fotomuseum Winterthur (Zürich: Lars Müller, 2019), 211–221.

Silke Fengler, Entwickelt und fixiert. Zur Unternehmens- und Technikgeschichte der deutschen Fotoindustrie, dargestellt am Beispiel der Agfa AG Leverkusen und des VEB Filmfabrik Wolfen (1945–1990) (Essen: Klartext, 2009).

Erhard Finger, «Die Agfa-Farbfilmgeschichte bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges und der ‹Führer-Auftrag›. Wissenschaftlich-technische Aspekte», in Christina Fuhrmeister (Hg.), ‹Führerauftrag Monumentalmalerei›. Eine Fotokampagne 1943–1945 (Köln: Böhlau Verlag Köln, 2006), 41–61.

Rainer Karlsch und Paul Werner Wagner, Die AGFA-ORWO-Story. Geschichte der Filmfabrik Wolfen und ihrer Nachfolger (Berlin: Verlag für Berlin-Brandenburg, 2010).

Gert Koshofer, «Die neue Filmfabrik im Westen. Agfa Leverkusen», in Rainer Karlsch und Helmut Maier (Hg.), Studien zur Geschichte der Filmfabrik Wolfen und der IG Farbenindustrie AG in Mitteldeutschland (Essen: Klartext-Verlag, 2014), 169–188.