Kalotypie

1840–1860

calotype

William Henry Fox Talbot, The Open Door, Ende April 1844, Salzpapierdruck von eine Papiernegativ, 14,9 × 16,8 cm, 84.XO.968.167, The J. Paul Getty Museum, Los Angeles. Digital image courtesy of the Getty’s Open Content Program

Eine Kalotypie oder auch Talbotypie ist ein Papiernegativverfahren, das erstmals ermöglichte, Bilder als Positive zu vervielfältigen. Diese Erfindung aus dem Jahr 1840 war eine bedeutende Entwicklung für die Fotografie, denn sie erlaubte, dass man von einem Negativ beliebig viele Abzüge herstellen konnte. Ihr Erfinder, der englische Wissenschaftler William Henry Fox Talbot (1800–1877), versuchte bereits 1834 fotografische Bilder auf Papier festzuhalten. Ähnlich wie beim Fotogramm – Talbot selbst nannte diese Bilder fotogenische Zeichnungen (engl. photogenic drawings) – legte er Gegenstände direkt auf lichtempfindlich gemachtes Papier. Allerdings konnte Talbot das Bild noch nicht fixieren, wodurch die entstandenen Negativ-Abdrücke nachbelichteten und diese somit wieder verschwanden.
1841 war sein Verfahren dann soweit ausgereift, dass er in London ein Patent, d. h. eine Erfinderurkunde, für sein Negativverfahren einreichte. Talbot gab seiner Erfindung den Namen ‹Kalotypie›, der sich aus den griechischen Wörtern kalós und týpos zusammensetzt und ‹schöner Druck› meint. Positive, die von einer Kalotypie abgezogen wurden, werden gelegentlich auch als Kalotypien bezeichnet. Da auf der Grundlage der Kalotypie weitere Papiernegativverfahren entwickelt wurden, bezieht sich der Begriff ‹Kalotypie› ausschliesslich auf Talbots Erfindung.
Für die Herstellung einer Kalotypie badete Talbot ein Schreibpapier in einer Kochsalzlösung und trocknete dieses. Vor der Belichtung in der Kamera bestrich Talbot das Papier mit einer Silbernitratlösung, die mit Essig- und Gallussäure gemischt war, um es lichtempfindlicher zu machen. Das Blatt wurde darauf kurz mit Wasser gespült und anschliessend, noch feucht oder bereits trocken, in der Kamera belichtet. Die Belichtung dauerte zwischen wenigen Sekunden bis zu mehreren Minuten. Danach musste Talbot das Negativ, auf dem das Bild noch unsichtbar war, wieder mit derselben Lösung aus Silbernitrat, Essig- und Gallussäure entwickeln. Erst so wurde das latente Bild – wie Talbot es nannte – sichtbar. Im Anschluss musste er das Negativ mit Natriumthiosulfat, das bis heute in der Analogfotografie als Fixiersalz eingesetzt wird, fixieren.
Im sogenannten Auskopierverfahren (engl. printing-out process) wird dann das Negativ als Positiv übertragen. Dafür wurde ein gewöhnliches Schreibpapier, das die gleiche Grösse der Kalotypie hatte, mit Kochsalz- und Silbernitratlösung bestrichen, damit es auf Licht chemisch wirkte. Das lichtempfindliche Blatt und das Negativ wurden daraufhin in einem Kopierrahmen eingeklemmt, sodass sie flach aufeinanderlagen. Im direkten Tageslicht wurde das Papier belichtet und darauf erschien ein bräunlich rotblaues Bild. Das entstandene Positiv, das vom Papiernegativ abgezogen wurde, nennt man Salzpapierabzug. Wenn das Positiv die gleiche Grösse wie das Negativ hat und es durch direkten Kontakt mit diesem entstand, wird das positive Bild als Kontaktabzug bezeichnet. Dieser musste nur noch gespült und fixiert, aber nicht entwickelt werden. Die entstandene Aufnahme stellte die Hell-Dunkel-Töne des Negativs umgekehrt dar und wird aufgrund dieser Umdrehung Positiv genannt.
Damit das Positiv möglichst viele Details abbilden konnte, bearbeitete man das Negativ, also die Kalotypie, mit heissem Wachs. Auf diese Weise wurde das Papier durchsichtiger. Da die Fotografien aus Papier bestanden, kam es oft vor, dass Fotograf_innen, um etwa Schönheitsfehler im Porträt zu korrigieren, in die Aufnahmen reinzeichneten oder diese mit Farben bemalten.

Victoria and Albert Museum, London

William Henry Fox Talbot, Altes Dresdner Porzellan in der Abtei Lacock [auf vier Regalen], ca. 1839, Kalotypie, gewachstes Papier, 14,8 x 20,6 cm, Victoria and Albert Museum, London

Literatur

Vered Maimon, Singular Images, Failed Copies. William Henry Fox Talbot and the Early Photography (Minneapolis; London: University of Minnesota Press, 2015).

Douglas R. Nickel, «‹Re-Tracing the Image›. Talbot’s Natural Magic», in History of Photography 26, Nr. 2 (2002), 132–140.

Larry J. Schaaf, «The Black Magic of Talbot’s Sciagraphy. Extracting Light from the Shadows», in Cornelia Kemp (Hg.), Unikat, Index, Quelle. Erkundungen zum Negativ (Göttingen: Wallstein, 2015), 19–39.

Larry J. Schaaf, Out of the Shadows. Herschel, Talbot and the Invention of Photography (New Haven, CT; London: Yale University Press, 1992).

Larry J. Schaaf, The Photographic Art of William Henry Fox Talbot (Princeton, NJ: Princeton University Press, 2000).

William Henry Fox Talbot, The Pencil of Nature (London: Longman, Brown, Green and Longmans, 1844–1846).