Fotogramm

1802–

photogram

William Henry Fox Talbot, Blätter an einem Stiel, ca. 1839, fotogenische Zeichnung (Negativ), 17.8 x 11.2 cm, © Victoria and Albert Museum, London

Bereits vor der Erfindung des Fotoapparats gab es Verfahren, die keine optischen Hilfsmittel wie Kameras oder Linsen für die Erstellung einer Aufnahme benötigten. Das Fotogramm ist ein solches kameraloses Direktverfahren: Eine Papieroberfläche wird mit Silbersalzen lichtempfindlich gemacht, da diese im Licht chemisch reagieren und sich verdunkeln. Gegenstände, beispielsweise Laubblätter oder Blumen, werden dann in der Dunkelkammer auf das lichtempfindliche Papier gelegt. Das Bild wird daraufhin kurz direkt von der Sonne oder einer künstlichen Lichtquelle belichtet. Nach der Belichtung wird die Aufnahme entwickelt und fixiert. Das Bild ist sehr kontrastreich. Die Schattenumrisse der Gegenstände erscheinen weiss bis hellgrau, während die gegenstandslose Fläche schwarz ist.

Fotostiftung Schweiz

Roger Humbert, Ohne Titel, 1960, Silbergelatineabzug, 15,4 x 15,4 cm, Fotostiftung Schweiz, Winterthur. © Fotostiftung Schweiz

Die Erfindung des Fotogramms geht auf den Engländer Thomas Wedgwood (1771–1805) zurück, der 1802 eine Methode entdeckte, fotografische Bilder ohne Kameras herzustellen. Ihm fehlte damals allerdings noch eine Technik, die das Bild dauerhaft festhalten konnte. In den 1830er-Jahren hatte schliesslich der Wegbereiter der Fotografie William Henry Fox Talbot (1800–1877) ein fotografisches Verfahren (photogenic drawing) erfunden, mit dem er solche Lichtzeichnungen erfolgreich fixieren konnte.
Viele Fotokünstler_innen Anfang des 20. Jahrhunderts experimentierten mit dem Fotogramm. Man Ray (1890–1976) oder Christian Schad (1894–1982) nannten das Verfahren sogar nach sich selbst in ‹Rayogramm› bzw. ‹Schadografie› um. Mit der Arbeit Rhythme Sans Fin von der Schweizer Künstlerin Céline Manz (*1981) wird das Fotogramm in die Gegenwart überführt. Manz setzt dabei ihre Bilder dem blauen Licht des Computerbildschirms aus und entwickelt sie anschliessend in der Dunkelkammer.

Literatur

Martin Barnes (Hg.), Shadow Catchers. Camera-less Photography, Ausst.-Kat. Victoria and Albert Museum (London: Merrell, 2010).
Geoffrey Batchen, Emanations. The Art of the Cameraless Photograph (München; London; New York: DelMonico Books, 2016).

Geoffrey Batchen, Emanations. The Art of the Cameraless Photograph (München; London; New York: DelMonico Books, 2016).

Floris M. Neusüss und Margit Zuckriegl (Hg.), Kamera los – das Fotogramm. Eine künstlerische Position von der Klassik bis zur Gegenwart, Ausst.-Kat. Museum der Moderne Salzburg (Salzburg: Pustet, 2006).

Ewa Stackelberg, Photograms. Cameraless Photography, 1997–2015 (Stockholm: ETC, 2015).

Katharina Steidl, Am Rande der Fotografie (Berlin: De Gruyter, 2019).