Camera Obscura

1685–

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Athanasius Kircher, Illustration einer portablen Camera obscura, in: Ars Magna Lucis Et Umbra, 1646

Als Vorläuferin der modernen Fotokamera gilt die sogenannte Camera obscura, zu Deutsch ‹dunkle Kammer›. Ihre Funktionsweise fand erstmals in der Schrift Problemata Physica des Philosophen Aristoteles (384–322 v. Chr.) im 4. Jahrhundert v. Chr. Erwähnung. Fällt Licht durch ein winziges Loch in einen dunklen Raum, entsteht eine auf dem Kopf stehende, seitenverkehrte Projektion auf der gegenüberliegenden Wand von Gegenständen, die sich vor der Öffnung befinden. Unabhängig von Aristoteles’ Erkenntnissen experimentierten zahlreiche Wissenschaftler_innen wie der arabische Mathematiker Alhazen (965–1040) um 980, der englische Philosoph Roger Bacon (1214–1292) im 13. Jahrhundert oder der italienische Künstler und Wissenschaftler Leonardo da Vinci (1452–1519) mit einer solchen Lochkamera, die über die nachfolgenden Jahrzehnte systematisch für den zeichnerischen Gebrauch verbessert und weiterentwickelt wurde.
Was zunächst als begehbarer Raum angelegt war, wurde im 17. Jahrhundert in ein handlicheres Miniaturmodell umgewandelt. In die Lochblende setzte man ferner eine konvexe Sammellinse ein, um die Tiefenschärfe zu erhöhen und das Bild zu verkleinern. Ein zusätzlich eingebauter Spiegel projizierte das auf dem Kopf stehende Bild seitenrichtig auf einen durchscheinenden Träger, sodass man es in der Perspektive richtig abzeichnen konnte.

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Unbekannt, Illustration einer Camera obscura-Zeichenhilfe aus dem 19. Jahrhundert, ca. 1850

Mit der Veröffentlichung der ersten fotografischen Verfahren im Jahre 1839 liess sich das in der Camera obscura entstehende Bild schliesslich fixieren. Anstelle des durchsichtigen Papiers legt man dafür chemisch bearbeitete, lichtempfindliche Bildträger wie Metallplatten, Papier oder Glas in die Kamera ein. Der französische Erfinder Joseph Nicéphore Niépce (1765–1833) fertigte so 1826 oder 1827 die früheste heute noch vorhandene Fotografie an, die einen Blick aus seinem Arbeitszimmer auf seinen Hof in Saint-Loup-de-Varennes zeigt.
Künstler_innen wie Abelardo Morell (*1948), Zoe Leonard (*1961) und Andrea Good (*1968) beschäftigen sich in ihren zeitgenössischen Arbeiten noch heute mit dieser frühen fotografischen Technik. Im Fotomuseum Winterthur befindet sich übrigens eine begehbare Camera obscura, wo die Funktionsweise wortwörtlich vor Augen geführt wird.

Schweiz Tourismus

Camera obscura im Fotomuseum Winterthur, © Schweiz Tourismus/Lauschsicht, 2017

Literatur

Olaf Breidbach, Camera Obscura. Die Dunkelkammer in ihrer historischen Entwicklung (Stuttgart: Steiner 2013).

Jonathan Crary, «Die Modernisierung des Sehens», in Herta Wolf (Hg.), Paradigma Fotografie. Fotokritik am Ende des fotografischen Zeitalters (Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2001), 67–81.

Erna Fiorentini, Camera Obscura vs. Camera Lucida. Distinguishing Early Nineteenth Century Modes of Seeing (Berlin: Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte 2006).

Michel Frizot, «Die Lichtmaschinen. An der Schwelle der Erfindung», in Michel Frizot (Hg.), Neue Geschichte der Fotografie (Köln: Könemann 1998), 14–21.

Helmut Gernsheim, «Vorstufen und frühe Entwicklungen», in: Helmut Gernsheim, Geschichte der Photographie. Die ersten hundert Jahre (Frankfurt a. M.: Prophyläen Verlag 1983), 11–41.

Bernadette Marbot, «Sur le chemin de la découverte (avant) 1839», in Jean-Claude Lemagny und André Rouillé (Hg.), Histoire de la photographie (Paris: Bourdas S.A. 1986), 11–18.