Glitch

1962–

glitch

Rosa Menkman, Blinx3, 2011

Ein Glitch bezeichnet eine zufällige Störung oder einen Fehler in einem technischen System, der sich als Rauschen, Clicken, Knistern, Krachen, Piepen oder Verzerren im Ton hörbar macht. Visuell drückt sich ein Glitch darin aus, dass ein Bild flimmert, sich dessen Grafik verformt und verzerrt, Verpixelungen, gezackte Linien oder falsche Farben auf dem Bildschirm erscheinen, oder Bewegungen im Bild verzögert stattfinden oder einfrieren. Glitches erlebt man bei Skype-Gesprächen oder beim Netflix-Schauen beispielsweise dann, wenn beim Streamen von (Bild und Audio-)Daten die Internetverbindung zu schwach ist, es ein Fehler in der Datenübertragung gibt oder das Netzwerk unterbrochen wird. Auch beim Spielen von Videogames, bei denen der Computer eine grosse Anzahl von Daten in Echtzeit berechnen muss, können Glitches den Vorgang des Spiels beeinträchtigen. Beim Komprimieren von Bildern, d. h. beim Verkleinern ihrer Datengrösse, können ebenfalls Bildstörungen – sogenannte Kompressionsartefakte – entstehen, die wie kleine Quadrate aussehen. Letztlich kann die Störung auch auf die Elektronik eines Geräts zurückzuführen sein.
Der englische Begriff ‹glitch› wurde erstmals 1962 registriert, als er vom NASA-Astronauten John Glenn (1921–2016) verwendet wurde, um Probleme elektrischer und technischer Natur zu beschreiben. Auch wenn jede Form von elektronischem System ‹glitchen› kann, also auch analoge Medien wie Radio oder Fernsehen, so hat sich der Begriff erst in Zusammenhang mit computer- und softwarebasierten Störungen der digitalen Kultur verbreitet. Die damit verbundene künstlerische Strömung – die ‹Glitch Art› – findet in der elektronischen Noise-/Electronica-Musik Mitte der 1990er-Jahre ihren Ursprung, von wo sich das Spiel mit der Störung bald auch in die digitale visuelle Kunst ausbreitete. Hierbei führen zeitgenössische Künstler_innen wie Rosa Menkman (*1983), Nick Briz (Geburtsjahr unbekannt) oder Jon Satrom (Geburtsjahr unbekannt) über Datenmanipulation absichtlich Fehler und Störungen herbei. Mittels technischer Verfahren wie databending, datamoshing, image-hacking oder pixel-bleeding greifen sie über Software in Bild- und Videodateien ein, beschädigen Formate (wie .jpg oder .gif) oder löschen einzelne im Code enthaltene Informationen, wodurch sie die eingangs beschriebenen Verzerrungen und abstrakten Effekte erzeugen. Künstler wie Iman Moradi (Geburtsjahr unbekannt) oder Clement Valla (*1979) suchen indes im World Wide Web nach zufälligen Glitches in Satelliten- oder Überwachungsbildern.

Clement Valla

Clement Valla, Postcards from Google Earth, 2010–

Glitch-Effekte sind mittlerweile auch gängiges Stilelement in Mainstream-Produkten wie der Werbung oder Musikvideos oder sie lassen sich durch spezielle Apps auf die eigenen Fotos anwenden. Allesamt stehen Glitches für die Ästhetik einer vernetzten, audiovisuellen Kultur, die sich durch die Digitalisierung nachhaltig verändert.

Literatur

Michael Betancourt, Glitch Art in Theory and Practice. Critical Failures and Post-Digital Aesthetics (New York: Routledge, 2017).

Olga Goriunova und Alexei Schulgin, «Glitch», in Matthew Fuller (Hg.), Software Studies. A Lexicon (Cambridge, MA: MIT Press, 2008), S.110–119.

Peter Krapp, Noise Channels. Glitch and Error in Digital Culture (Minneapolis: University of Minnesota Press, 2011).

Rosa Menkman, The Glitch Moment(um) (Amsterdam: Institute of Network Cultures, 2011).

Iman Moradi, Glitch. Designing Imperfection (New York: Mark Batty, 2009).

Mark Nunes (Hg.), Error. Glitch, Noise and Jam in New Media Cultures (New York; London: The Continuum International Publishing Group, 2011).