Das vernetzte Bild

2004–

networked-image

Zirkulierende Bilder auf Instant-Messaging-Apps

Das vernetzte Bild kennzeichnet einen bedeutsamen Wandel in der Entwicklung der Fotografie und ihrer Gebrauchsweisen. Wurde sein analoger Vorgänger vorwiegend in gedruckter Form (engl. print) verteilt – als analoger Abzug oder Abdruck in Zeitungen, Magazinen, Büchern oder auf Plakaten –, handelt es sich beim vernetzten Bild um ein Foto, das mit einer Digitalkamera – heute vorwiegend mit dem Handy – aufgezeichnet wird und online zirkuliert, indem es digital verschickt oder auf soziale Medien hochgeladen wird. Technologische Voraussetzung bildet die Zusammenführung von Kameras mit dem Internet und die damit verbundene Möglichkeit, Fotos unmittelbar nach ihrer Aufnahme über digitale Netzwerke und Plattformen zu verteilen. Diese technischen Bedingungen haben sich vor allem durch die in Mobiltelefone eingebauten Digitalkameras und dem Zugang zum Internet (seit 1999) ausgeweitet. Mit der weltweiten Verbreitung und Nutzung des Smartphones (ab 2010) sind das Fotografieren und das vernetzte Bild zum festen Bestandteil des Alltags geworden.
Das vernetzte Bild verändert die Herstellung und Funktion von Fotografien: Im Zentrum steht nicht länger bloss der Wunsch, einen Moment festzuhalten; vielmehr geht es um die Tätigkeit der Kommunikation und des (Mit-)Teilens, weswegen das vernetzte Bild auch als ‹verteiltes› Bild oder als ‹Konversationsbild› bezeichnet wird. Vernetzte Bilder werden oft schon mit Hinblick auf das Teilen gemacht und bearbeitet, um sich an Freund_innen, spezifische Gruppen (engl. community) oder ein anonymes Publikum über Fotosharing-Plattformen wie Flickr (2004), über Fotoblogs (z. B. WordPress, 2005), über soziale Netzwerke wie Facebook (2004), Twitter (2006), Instagram (2010) oder TikTok (2016) sowie Instant-Messaging-Apps wie Snapchat (2011) zu richten. Dieses sogenannte Fotosharing hat sich im Zuge des Web 2.0 (2004) herausgebildet, welches das aktive Teilen von Inhalten (engl. contents) im World Wide Web ermöglicht hat. Dadurch hat sich auch die Art und Weise, wie mit Fotografien umgegangen wird, massgeblich verändert: Vernetzte Bilder lassen sich nicht nur passiv konsumieren, sondern ermöglichen über das (Weiter-)Teilen, Liken, Verlinken, das Taggen, Kommentieren oder (Weiter-)Bearbeiten eine aktive Einbindung der Betrachter_innen, die damit zugleich auch das Ausmass ihrer Zirkulation mitsteuern. Je mehr ein Bild also gelikt, geteilt und kommentiert wird, umso mehr wird es – auch in unvorhergesehenen Zusammenhängen – immer wieder auftauchen. D. h. auch, dass sich ein Bild, einmal ins Netz gestellt, unserer Kontrolle entziehen und von unterschiedlichen (persönlichen, unternehmerischen oder staatlichen) User_innen genutzt werden kann. Gleiches gilt für die Metadaten, die persönliche Informationen über das Wie und Wo der Entstehung der Bilder enthalten und die wir beim Verteilen der Bilder meist unbewusst preisgeben.

Literatur

André Gunthert, L’Image partagée: La photographie numérique (Paris: Textuel, 2015).

Susanne Holschbach, «Das verteilte Bild. Erscheinungsweisen und Performanzen digitaler Fotografie», in: Ilka Becker et al. (Hg.), Fotografisches Handeln (Weimar: Jonas, 2016), 110–130.

Petra Löffler, Susanne Holschbach und Winfried Gerling, Bilder verteilen. Fotografische Praktiken in der digitalen Kultur (Bielefeld: Transcript, 2018).

Daniel Rubinstein und Katrina Sluis, «A Life More Photographic. Mapping the Networked Image», in: Photographies 1, Nr. 1 (2008), 9–28.