Ferrotypie

1853–1930

ferrotype

Unbekannt, Porträt eines sitzenden jungen Manns und einer sitzenden jungen Frau, 1860er-Jahe, Ferrotypie, 7 x 5,6 cm, 84.XT.1395.37, The J. Paul Getty Museum, Los Angeles. Digital image courtesy of the Getty’s Open Content Program

Die Ferrotypie, auch Melanotypie, Blechfotografie oder auf Englisch tintype genannt, hat ein dünnes, lackiertes Metallblatt als Bildträger. Als Direktpositivverfahren stellt sie fotografische Einzelstücke her. Die Ferrotypie beruht auf dem Kollodium-Nassplatten-Verfahren.
Zur Herstellung der Ferrotypie wird eine Kollodiumschicht, der Iod- und Bromsilber beigemischt wurde, gleichmässig auf eine beidseitig schwarz lackierte, dünne Metallplatte aufgetragen. Nachdem die Platte in der Dunkelkammer in einem Silbernitratbad lichtempfindlich gemacht wurde, wird sie in der Kamera belichtet. Schliesslich wird die Platte entwickelt, fixiert, mit Wasser gespült und getrocknet. Am Ende wird Firnis als Schutzschicht auf die Platte gestrichen. Da das Erscheinungsbild einer Ferrotypie oft trüb, kontrastarm und fleckig war, setzten Fotoassistent_innen auf Wunsch Farbe in die Aufnahmen ein.

The J. Paul Getty Museum, Los Angeles

Unbekannt, Porträt von zwei sitzenden Unionssoldaten in Uniform, ca. 1860–1862, Ferrotypie mit aufgetragener Farbe, 5,4 × 6,5 cm, 84.XT.1589.5, The J. Paul Getty Museum, Los Angeles. Digital image courtesy of the Getty’s Open Content Program

Die Ferrotypie wurde 1853 vom französischen Fotografen Adolphe-Alexandre Martin (1824–1896) erstmals beschrieben, doch fand sie wenig Aufmerksamkeit in Europa. In den USA, wo der Fotograf Hamilton Smith (1819–1903) das Verfahren 1856 als seine Erfindung rechtlich schützen liess, erfreute sich die Ferrotypie hingegen besonders für Porträtaufnahmen grosser Beliebtheit. Durch die Verwendung von erschwinglichem Metall war sie ein kostengünstiges Verfahren und, im Gegensatz zu zerbrechlichen Materialien wie etwa Glas, auch sehr beständig. Ein Nachteil war, dass auf der metallenen Bildoberfläche leicht Rost ansetzen konnte. Ferrotypien wurden von Atelier- und Wanderfotograf_innen in edle klappbare Etuis eingesetzt oder als Carte de Visite erstellt. Erfolg hatte die Ferrotypie auch als Souvenirfoto dank dem Bosco-Automat – dem ersten in Deutschland erfundenen Fotoautomaten, der im Jahr 1890 eingeführt wurde und ohne Fotograf_innen Bilder herstellte. Die Ferrotypie wurde bis in die 1930er-Jahre verwendet.

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Unbekannt, Porträt von zwei Männern, ca. 1895, Ferrotypie, 8 x 6 cm, CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)

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Unbekannt, Ferrotypie aus einem Bosco-Automaten, Rückseite, ca. 1895, Ferrotypie, 8 x 6 cm, CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)

Literatur

Dieter Bachmann (Hg.), Der Körper der Photographie. Eine Welterzählung in Aufnahmen aus der Sammlung Herzog (Zürich: Limmat Verlag, 2005).

Peter Michels, Das Kollodium. Handbuch der modernen Nassplattenfotografie (Tuttlingen: Fotokultur. Media, 2015).

Janice Schimmelman, The Tintype in America, 1856–1880 (Philadelphia, PA: American Philosophical Society, 2007).

Marjen Schmidt, Fotografien. Erkennen, bewahren, ausstellen (Berlin; München: Deutscher Kunstverlag, 2018).