Sehende Maschinen

2014–

seeing-machines

John McCormac, Ankur Handa, Stefan Leutenegger, Andrew J. Davison, ausgewählte Beispiele des Datensatzes SceneNet RGB-D, ArXiv, 2016

Der Begriff der Sehenden Maschine wurde 2014 von Trevor Paglen (*1974) geprägt und beschreibt, wie Maschinen als Fotograf_innen und Bildbetrachter_innen funktionieren können. Dieser Ansatz erweitert die traditionelle Vorstellung, dass die Kamera allein für den Menschen geschaffen wurde, um Bildverarbeitungssysteme für Maschinen, mit denen sie die Welt anderer Maschinen sehen können. Beispiele für solche Maschinen sind QR-Code-Lesegeräte in Supermärkten, Satelliten, die die Erde umkreisen, Gesichtserkennungssysteme bei Grenzkontrollen und die automatisierte Kennzeichenerfassung, die für die Geschwindigkeitskontrolle von Autos eingesetzt wird. Solche Maschinen verbinden die Kamera mit einer Software, die Informationen in Bildern mit anderen Interessen als denen des menschlichen Auges liest. Während wir vielleicht die Schönheit einer Naturfotografie bewundern, die mit einer Drohne aufgenommen wurde, kann das gleiche Bild von einer sehenden Maschine für die Planung des militärischen Handelns verarbeitet werden.
Die sehende Maschine ist ein wichtiges Konzept, um zu verstehen, wie Fotografie heutzutage funktioniert, da Software und Algorithmen zu unsichtbaren Betrachter_innen von Fotografien werden. Verschiedene Maschinen führen bestimmte Aufgaben aus und ‹wollen› unterschiedliche Dinge. Die automatisierte Kennzeichenerfassung beispielsweise konzentriert sich nur auf die Informationen des Autokennzeichens in einem Bild, während QR-Code-Lesegeräte nur an schwarzen und weissen Quadraten interessiert sind, und Gesichtserkennungsalgorithmen alles ignorieren, was sie nicht als Gesicht erkennen.

Wikimedia Commons

Ludvika Sweden Photography, Automatisches Nummernschilderkennungssystem (Automatic Number Plate Recognition, ANPR) im Butunnelen bei der Hardangerbrücke in Bjotveit, Norwegen, wird zur Mauterhebung verwendet, 2018, CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)

Die Fotografie sollte also eher als ein Medium verstanden werden, an dem viele Menschen sowie Maschinen beteiligt sind, die unterschiedliche Interessen und Sehfähigkeiten haben. Wärmebildkameras beispielsweise können Temperaturschwankungen ‹sehen›, selbst bei völliger Dunkelheit. Darüber hinaus beeinflussen sehende Maschinen auch die Art und Weise, wie die Welt durch diese Bilder geformt wird und wie Bilder von verschiedenen Beteiligten für verschiedene Zwecke verwendet werden können. So kann zum Beispiel ein Selfie, das man an Freund_innen schickt, auch von sehenden Maschinen gesehen und verwendet werden, die der Überwachung dienen, auch wenn es dafür nicht gedacht und aufgenommen worden war. Man kann sich Hunderte verschiedener Augen vorstellen, möglicher Sichtweisen auf die Welt, die sich von unserer Sicht unterscheiden. Auch wenn wir alle auf die gleiche Szene blicken, sehen und wollen diese Augen doch unterschiedliche Dinge.