Andy Kassier, Who is this successful man?, aus success is just a smile away, 2018
Abgeleitet von dem englischen Begriff self, zu Deutsch das Selbst, beschreibt das ‹Selfie› ein Foto, das das Gesicht der Fotografin oder des Fotografen zeigt und von dieser oder diesem selbst oft auf Armeslänge mit dem Smartphone aufgenommen wurde. Die meisten Smartphones haben dafür mittlerweile eine direkt im Display eingebaute, auf den Benutzer_innen gerichtete Kamera, die die Aufnahme erleichtert.
Selfies werden insbesondere seit dem Aufkommen der Sozialen Medien in den 2010er-Jahren auf Apps wie Instagram oder WhatsApp hochgeladen oder verschickt. User_innen dieser Apps sollen das dargestellte Bild im Handumdrehen lesen können und motiviert werden, es direkt zu teilen, zu liken oder zu kommentieren. Deshalb ist das Selfie nicht mit dem traditionellen, fotografischen Selbstporträt zu verwechseln, sondern muss im Kontext des vernetzten Bildes und als zeitgenössisches Kommunikationsmittel gelesen werden. Das ‹Selbst› im eigentlichen Sinne ist dabei nicht mehr allein Inhalt des Selfies. Sie sind vielmehr Teil eines grösseren sozialen, häufig auch ökomischen Netzwerks, das eigene Bildformeln und -praktiken hervorbringt. Die US-amerikanische Politikwissenschaftlerin Jodi Dean (*1962) beschreibt es daher auch als «Nachahmung der anderen und unsere Nachahmung des anderen». Selfies würden so digitalisierte Vorstellungen von Kultur, sozialer Klasse oder Geschlecht (re-)produzieren.
Mittlerweile hat sich ein ganzes Berufsfeld, nämlich das der Influencer_innen herausgebildet, die Selfies auf ihren Social-Media-Accounts benutzen, um sich als Marke selbst dazustellen oder Produkte zu bewerben. Zusätzlich gibt es viele Apps wie FaceTune die sogenannte Selfie-Filter zur Verfügung stellen, mit denen man Bilder leicht bearbeiten, gleichzeitig aber auch die Wirklichkeit stark verfälschen kann. Das führt zu unrealistischen und unerreichbaren (Schönheits-)idealen, denen man – neben den versteckten Werbebotschaften – kritisch begegnen muss.
Julia Eckel, Jens Ruchatz und Sabine Wirth (Hg.), Exploring the Selfie. Historical, Theoretical, and Analytical Approaches to Digital Self-Photography (Cham: Palgrave Macmillan, 2018).
Winfried Gerling, Susanne Holschbach und Petra Löffler (Hg.), Bilder verteilen. Fotografische Praktiken in der digitalen Kultur (Bielefeld: Transcript, 2018).
Edgar Gómez Cruz und Helen Thornham, «Selfies beyond Self-Representation: The (Theoretical) F(r)ictions of a Practice», in Journal of Aesthetics & Culture 7, Nr. 1 (2015), 1–10.
André Gunthert, «The Conversational Image. New Uses for Digital Photography», in Études photographiques, Nr. 31 (2014), 1–10.
Nathan Jurgenson, The Social Photo. On Photography and Social Media (London; New York: Verso Books 2019).
Daniel Rubinstein, «Das Geschenk des Selfies», in Alain Bieber (Hg.), Ego Update, Ausst.-Kat. NRW-Forum Düsseldorf (Düsseldorf: NRW-Forum, 2015), 162–176.